Tod und Inkarnation

Während in den Metallwerken die Schmelzöfen vierundzwanzig Stunden am Tag loderten, um den Tod auf den Schlachtfeldern Europas am Leben zu erhalten, arbeiteten gleichzeitig beim 1. Goetheanum akademische Maler, Plastiker und Holzschnitzer in den Sälen des gigantischen Doppelkuppelbaus, um Rudolf Steiners Geisteswelt Gestalt zu verleihen. Dieses Spannungsfeld ist die Kulisse vor der sich das Liebesdrama von Kleopha und Serge abspielt.

 

Arbeiter & Gräfin

Serge, Elsässer, aber mit deutschem Pass (das Elsass gehört seit dem 1871-Krieg zum Deutschen Reich), flüchtete in die Schweiz, um nicht mit den Deutschen gegen die Franzosen kämpfen zu müssen.

Kleopha, eine Gräfin aus Wien, frei von finanziellen Sorgen, entfloh ihrem höfischen Leben, um sich den unterschiedlichsten Reformbewegungen ihrer Zeit anzuschliessen. Sie möchte sich am Goetheanum zur Eurythmistin ausbilden lassen.

Krieg & Tanz

Serge hat nur ein Ziel: Die Deutschen so rasch wie möglich aus dem Elsass zu  verjagen, damit er wieder nach Hause zurückgehen kann, um seinen Weinberg, den die Deutschen konfisziert haben, wieder zu bestellen. Je mehr Granaten, desto besser, desto schneller ist das Elsass wieder französisch.

Kleopha tut sich schwer mit den genauen Regeln der Eurythmie. Für sie ist Tanz unmittelbarer Ausdruck des emotionalen Innern durch Bewegung und Körperlichkeit. Aber ohne festgefügte Regeln, wie sie die Eurythmie vorgibt. Das ist ihr zu eng. Entsprechend scheitert sie auch an der Aufnahmeprüfung.

Munition und Heilsversprechen

Die Metallwerke Dornach produzieren millionenfach Munitionsbestandteile. Inspizienten der Kriegsparteien versuchen zu überwachen, ob ihre Rohstoffe und die gelieferte Energie ausschliesslich für ihr Bündnis eingesetzt werden derweil Serge und sein Freund und Arbeitskollege Fritz zum Goetheanum hinaufgehen, um das vom Mündungsfeuer der Kanonen erzeugte Feuer im Elsass zu bestaunen.
Im Goetheanum wird an Säulen geschnitzt, farbige Glasenster hergestellt und Decken werden bemalt, Rudolf Steiner arbeitet an seiner Skulptur «Der Menschheitsrepräsentant» und hält in Europa Vorträge. Kleopha bekommt unterdessen von ihrer Lehrerin und Freundin Sophie mitgeteilt, dass die Eurythmie nun wirklich nichts für sie sei.

Mensch & Heimat

Künstler und Handwerker aus 18 Nationen arbeiteten am Goetheanum. Sie waren bestens über das Kriegsgeschehen informiert, liess doch Rudolf Steiner die Zeitungen der vielen Heimatländer im Speisesaal auslegen. Je nach Meldung wurde aus den Menschen, die gerade eben noch Hand in Hand zusammenarbeiteten Franzosen, Deutsche, Italiener oder Russen. Dies führte oft zu lauten Streitereien.
Kleopha, Serge, Fritz und Sophie geraten in einen solchen Streit in der Kantine. Als Folge davon werden Kleopha und Serge ein Liebespaar. Und Fritz und Sophie vielleicht auch.

Text:
Patrick Tschan

Geb. 1962 in Basel, studierte Germanistik, Geschichte und Philosophie, führte in zahlreichen Theaterstücken Regie, war viele Jahre in der Werbung und Kommunikation tätig. Autor zahlreicher Essays und Kolumnen. Seit 2011 hat er fünf Romane veröffentlicht: «Keller fehlt ein Wort», «Polarrot», «Eine Reise später», «Der Kubanische Käser», «Schmelzwasser».

 

Regie:
Georg Darvas

Georg Darvas wurde in Wien geboren und begann seine Theatertätigkeit in Israel in den 70er Jahren. 2001 begründete er gemeinsam mit Johanna Schwarz «Das Neue Theater am Bahnhof Dornach» (seit 2015 «neuestheater.ch»), das sie bis 2021 leiteten. Im eigenen Haus zahlreiche Inszenierungen von Sprech- und Musiktheatern. Gastspiele, Theaterkurse und Inszenierungen im In- und Ausland. 2010 erhielt er den Preis für Theater des Kanton Solothurn.
Emeritierter Präsident der Fachkommission Theater und Tanz des Kanton Solothurn.